Interview mit Roland Maesing, VP Smart Home bei Gigaset Allein wird niemand mehr erfolgreich sein

Nicht alle Anbieter konnten bislang vom steigenden Interesse der Verbraucher an Smart-Home-Lösungen profitieren. Zu den Gewinnern gehört Gigaset, wo man von Anfang an auf Sicherheit, Design sowie den Funkstandard ULE gesetzt hat. Im Interview erklärt Roland Maesing, VP Smart Home bei Gigaset, worauf der Erfolg des Unternehmens aus Bocholt basiert – und wie die Zukunft des Smart Homes aussehen wird.

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Frage: Auch im Smart Home kommen heutzutage viele Lösungen aus China oder den USA. Wie schwierig ist es, sich als deutsches Unternehmen im Smart-Home-Markt zu behaupten?

Roland Maesing: Leicht ist es nicht, aber durchaus möglich, wie unser Erfolg zeigt. Wichtig ist, dass man sich auf die eigenen Stärken besinnt und schaut, was der Anwender möchte. Das Siegel „Made in Germany“ steht weiterhin für Qualität sowie Entwicklungs-Know-how und somit für einen echten Mehrwert. Wir entwickeln und produzieren nach wie vor in Deutschland. Unsere Kunden wissen das zu schätzen und verstehen auch, warum unsere Produkte mitunter ein paar Euros mehr kosten als etwa Geräte aus Fernost. Dass sich unsere Kunden auf uns und unsere Produkte verlassen können, ist enorm wichtig. Gerade bei Sicherheitslösungen will verständlicherweise niemand riskieren, dass etwas nicht einwandfrei funktioniert oder Schwachstellen hat. Unsere Server stehen übrigens in Deutschland und das Hosting erfolgt ebenfalls durch ein deutsches Unternehmen.

ULE Funkstandard im Smart Home: Vor- und Nachteile

Frage: Ist der Aspekt Sicherheit einer der Gründe, wieso sich Gigaset als eines der ersten Unternehmen für den Smart-Home-Funkstandard Ultra-Low Energy (ULE) entschieden hat? Schließlich gilt dieser als besonders sicher und stabil.  

Roland Maesing: Ganz genau. Man könnte meinen, wir wären als Gigaset voreingenommen gewesen, da wir DECT-Produkte anbieten und ULE auf DECT basiert. Aber dem war nicht so. Wir haben die verschiedenen Optionen ausführlich analysiert und eine bewusste Wahl getroffen. Wir hätten auch eine andere Funktechnik genommen, wenn diese besser gewesen wäre. ULE bringt schlichtweg genau die Eigenschaften mit, die wir brauchen, um die Wünsche unserer Kunden zu erfüllen. Die Sicherheit ihrer Daten ist unseren Kunden sehr wichtig. Hier machen wir keine Kompromisse und haben auch deshalb den ULE-Standard gewählt. Hinzu kommt die große Zuverlässigkeit aufgrund der einzigartigen Funkdisziplin von ULE, die andere Smart-Home-Standards wie ZigBee nicht bietet. Die hohe Reichweite, der geringe Energieverbrauch sowie die idealen Eigenschaften für Batterie-betriebene Sensoren sprechen ebenfalls für ULE.

Aus diesen Gründen haben wir uns schon früh für diesen Standard entschieden und unsere Lösungen konsequent weiterentwickelt. Mit der Entwicklung haben wir bereits vor neun Jahren begonnen, die ersten Produkte kamen dann 2012 auf den Markt. Heute umfasst unser Eco-System inklusive Basis rund ein Dutzend Smart-Home-Produkte, die alle ULE nutzen.

Frage: War es rückblickend die richtige Entscheidung, auf einen neuen Smart-Home-Standard zu setzen, der damals noch nicht weit verbreitet war?

Roland Maesing: Auf jeden Fall. Das zeigen auch die aktuellen spannenden Diskussionen über den ULE-Standard. Die Telkos sind auf der Suche nach ULE-Partnern, denn sie wollen im Smart Home von Standards wie ZigBee und WLAN weg. Einer der Gründe, wieso der Smart-Home-Markt noch nicht sein volles Potenzial erreicht hat, ist die Tatsache, dass es weiterhin zu viele verschiedene Anbieter und Ansätze gibt. Die diesbezügliche Marktbereinigung lässt weiter auf sich warten.

Das Ziel unserer Smart-Home-Strategie war es von Anfang an, Dinge zu vereinfachen. Dabei war für uns klar, dass wir nur ein fertiges Szenario anbieten wollten, dafür aber richtig. Bei uns lag und liegt der Fokus ganz klar auf dem Aspekt Sicherheit und einem Rundum-sorglos-Paket. Dazu gehört auch ein verlässlicher Funkstandard.

Frage: Wie erfolgreich sind Sie mit Ihren Smart-Home-Lösungen?

Roland Maesing: Sehr erfolgreich. Aber es war kein einfacher Ritt. Seit vielen Jahren wird ein großflächiger Smart-Home-Boom prognostiziert, der sich so bis heute nicht materialisiert hat. Es gibt wie gesagt viele Anbieter, allerdings sind bislang nur wenige erfolgreich. Wir bilden als einer der Top 5 Anbieter also eher eine Ausnahme als die Regel. Zu unserem Erfolgsrezept gehört, dass wir uns auf das Thema Sicherheit konzentriert haben und nicht wie viele andere etwa auf Bequemlichkeit. Bei Alarmanlagen sind wir der perfekte Partner für den einfachen Einstieg. Und das gilt nicht nur für Privatanwender. Viele Unternehmen nutzen ebenfalls „Elements“. Das liegt auch daran, dass unsere Lösungen im Gegensatz zu vielen klassischen Anlagen nicht mehrere Tausend Euro kosten – und zudem viel einfacher zu installieren und zu warten sind.

Frage: Entwickeln Sie alle Produkte selbst oder wird bei Gigaset auch zugekauft?

Roland Maesing: Im Einzelfall greifen wir auch auf Partner zurück wie beispielsweise beim Rauchmelder. Dieser kommt von Partnern, weil diese Sensorik nicht unsere Kernkompetenz ist – das können andere besser und wir nutzen das. Aber der Großteil aller Produkte kommt aus unserem Haus. Und selbstverständlich besitzt auch der Rauchmelder die DNA von Gigaset und passt hervorragend in unser Portfolio. Das gilt auch für das Design und Bedienkonzept.

Frage: Das Design Ihrer Produkte wurde bereits vielfach ausgezeichnet. Wie wichtig ist das jeweilige Design für den Erfolg von Smart-Home-Produkten?

Roland Maesing: Sehr wichtig, schließlich sind viele Smart-Home-Produkte im Haus sichtbar und damit letztlich Teil der Einrichtung. Unser Design richtet sich seit jeher nach den Prinzipien des Bauhaus-Stils. Die Form folgt dabei der Funktion. Nur weil etwas funktional ist, muss es allerdings nicht hässlich sein. Gutes Design ist uns sehr wichtig. Da machen wir keine Kompromisse.

Frage: ULE-basierte Produkte lassen sich prinzipiell mit Geräten anderer Hersteller kombinieren, wenn sie den Zertifizierungskriterien der ULE Alliance entsprechen? Ist das bei Gigaset-Produkten der Fall?

Roland Maesing: Nein, unsere Produkte sind nicht zertifiziert. Der Hintergrund ist technischer Natur. Als wir mit ULE anfingen, haben wir uns für 6LoWPAN als Application-Layer entschieden, weil wir mehr Informationen übertragen wollten wie beispielsweise den Status der Batterien. Das konnte HAN-FUN, also das Protokoll des ULE-Standards, damals noch nicht. In Zukunft könnten wir uns vorstellen eine Dual-Stack-Lösung anzubieten, also 6LoWPAN und HAN-FUN.

Smart Home Zukunft: Trends und Entwicklungen

Frage: Welche Herausforderungen kommen auf die Smart-Home-Branche in nächster Zeit zu?  

Roland Maesing: Die gesamte Branche schaut derzeit auf das Projekt „Connected Home via IP“, kurz CHIP. Bei CHIP geht es nicht um die Transportwege und Standards wie ULE, ZigBee oder Bluetooth, sondern um einen gemeinsamen Application-Layer. Die Funkstandards bleiben also als Transportweg erhalten. Der Application Layer wird mit CHIP dann allerdings auf IP gebündelt, um die verschiedenen Smart-Home-Lösungen kompatibler zu machen. CHIP wird unter anderem von den Internet-Riesen wie Apple, Amazon und Google vorangetrieben. Das ist also ein ganz großes Thema in der Branche. Alle schauen, was passiert, und jedes Unternehmen fragt sich, was es womöglich tun muss, um das eigene System anzupassen. Ursprünglich war bis Ende dieses Jahres ein erster Standard erwartet worden, aber jetzt kam die Corona-Pandemie dazwischen. CHIP ersetzt keine Funkstandards, bedeutet jedoch, dass die unterschiedlichen Systeme kompatibel zueinander sind und leichter miteinander verknüpft werden können. Für die Endkunden dürfte also alles noch einfacher werden und es wäre wohl das endgültige Ende von Insellösungen.  

Frage: Wohin geht die Reise beim Smart Home in den nächsten fünf Jahren?

Roland Maesing: Aus der Sicht des Endkunden wird alles noch einfacher. Deutlich einfacher. Damit werden auch weitere Einstiegshürden abgebaut. Vieles wird sich um die Frage drehen, wie man den Alltag weiter erleichtern kann. Wie man bereits am Erfolg der Smart Speaker erkennen kann, wird Sprachsteuerung ein sehr wichtiger Faktor sein.

In den nächsten Jahren wird es zudem weitere Konsolidierungen geben sowie noch mehr Kooperationen wie unsere Partnerschaft mit Phillips. Wir sind diesbezüglich bereits mit verschiedenen anderen Herstellern in regem Austausch. Denn wir wollen nicht einen Sensor nach dem anderen entwickeln und ständig neue Produkte anbieten. In vielen Fällen macht es deutlich mehr Sinn, mit anderen zusammenzuarbeiten. Allein und abgeschottet wird zukünftig sicherlich niemand mehr auf dem Smart-Home-Markt erfolgreich sein können.

 

Zur Person:
Als VP Smart Home trägt Roland Maesing die Gesamtverantwortung für die strategische und operative Ausrichtung des Segments bei Gigaset. Seit anderthalb Jahren arbeitet Maesing wieder für das Bocholter Unternehmen, nachdem er zwischenzeitlich bei der Vectron Systems AG als Leiter Produktentwicklung tätig war. Zuvor war der renommierte Smart-Home-Experte bereits 12 Jahre bei Gigaset.

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Redakteur Tillmann Braun

Freier Journalist und Kommunikationsberater für Non-Profit-Organisationen. Sein Fachgebiet sind innovative IT-Lösungen für die Vernetzung von Menschen und Maschinen, insbesondere intelligente (Heim-)Netzwerke, IoT und Machine-to-Machine-Kommunikation, Mobile Payment, IT-Strategien und vielfältig einsetzbare Kommunikationssysteme.

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